Sechzig Jahre lang war Arthur Schnitzlers „Reigen“ nicht auf der Bühne zu sehen. Nach zwei skandalträchtigen Inszenierungen, begleitet von Schlägereien, Stinkbomben und Prozessen, gefolgt von einem Verbot der Aufführung wegen Unzüchtigkeit des Textes, hatte Schnitzler jede weitere Aufführung des „Reigen“ verboten. Erst seit 1982 ist das Stück regelmäßig auf Bühnen zu sehen.

Unerhört fand man bei Erscheinen die Bloßlegung des vagabundierenden Verlangens nach Befriedigung der Lust und verkannte damit die in allem gegenwärtige Frage „Was ist Liebe?“.

Wie verschiebt sich die Wahrnehmung von Macht und Ausnutzung sozialer Unterschiede angesichts von fluider und nicht eindeutiger Geschlechtlichkeit? Was erfahren wir über uns und unsere Gesellschaft, wenn wir die Begegnungen im Reigen nicht in einem binären Geschlechtersystem denken, sondern unabhängiger von unseren Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit?

In seinem Tagebuch schreibt Schnitzler: „Die Liebe ist eigentlich immer ein Symbol für etwas anderes.“ Im „Alles-Bekommen“ steckt auch das „Nichts-Haben“.

Dieser Reigen ist ewig.

Mit
Charly Diwiak, Arlind Hagjija, Christoph Kugler und Gerd Wilfing

Bühne & Licht
Francis Kügerl

Kostüme
Yvonne Beck

Musik
Paul J. Diwiak

Regie
Ninja Reichert

 Pressestimmen

Kleine Zeitung vom 18. Dezember 2022

Die Dirne lockt wieder
Schnitzlers „Reigen“, lustvoll und heiter.

Die Scheinwerfer erhellen die Bühne, schon geht ein erster Rauner durchs Publikum: Das rosa ausgekleidete Bühnenbild (Francis Kügerl) erinnert an eine gigantische Vulva; nicht unschlüssig für eine Inszenierung von Schnitzlers „Reigen“.
Konterkariert wird das Bühnenbild vom rein männlichen Ensemble: Charly Diwiak, Arlind Hagjija, Christoph Kugler und Gerd Wilfing wechseln sich ab, von der Dirne bis zum Grafen. Der Umgang der Darsteller mit Schnitzlers Vorlage ist spielerisch, die Freude am dialektalen Witz überträgt sich aufs Publikum. Herrlich verspielte Kostüme (Yvonne Beck) einerseits und Paul J. Diwiak als charmanter musikalischer Lückenfüller tragen ihren Teil zum Spaß bei.
Die Bitterkeit der Vorlage, dieses seelenlose Suchen nach sexueller Befriedigung und, mehr noch, nach Wertschätzung des Herzens, geht fast unter im heiteren Spiel, das Ninja Reichert spektakulär unterhaltsam auf die Bühne bringt.

Daniel Hadler

Steirer Krone vom 08. Jänner 2023

Ewig dreht sich der Strudel der Lust
Das Theaterzentrum Deutschlandsberg zeigt mit Schnitzlers „Reigen“ einen echten Klassiker. Der Kniff: Auf der Bühne stehen nur Männer.

Die Dirne trägt Vollbart, das Stubenmädchen brummt im schönsten Tenor und das süße Mädl hat eine behaarte Brust. Zugegeben, man muss sich erst daran gewöhnen, dass in diesem „Reigen“ nur Herren auf der Bühne stehen. Doch jeglicher Zweifel ist schnell verflogen, aus einem einfachen Grund: Worüber man lachen kann, darüber kann man sich schwer ärgern.

Regisseurin Ninja Reichert hat den Fin-de-Siècle-Bühnenklassiker von Arthur Schnitzler, der sonst meist als düstere Sozialstudie, als bitteres Klassendrama voller verzweifelter Suche nach Liebe inszeniert wird, von seiner Schwere befreit und legt in ihrer Deutschlandsberger Bearbeitung eine skurrile und rasante Komödie frei. Ewig dreht sich hier der Strudel der Lust, nur im Hintergrund spielen die gesellschaftlichen Unterschiede der Figuren in das humorvolle Ringen mit der Begierde hinein.

Die Männerbesetzung lässt Fragen nach dem Verhältnis der Geschlechter, die der „Reigen“ freilich auch stellt, in völlig neuen Frequenzen schwingen - auch hier dominieren vor allem die humoristischen Töne. Diese kosten Charly Diwiak, Arlind Hagjija, Christoph Kugler und Gerd Wilfing auf der Bühne mit vollem Gusto aus und werfen sich mit Herz und Tutu in ihre Figuren.

Musiker Paul J. Diwiak zeichnet nicht nur für die Höhepunkte der erotischen Begegnungen verantwortlich, sondern sorgt auch für launische Übergänge zwischen den Szenen. Und Bühnenbildner Francis Kügerl hat für diesen Strudel der Lust den passenden plüschigen Spielplatz gebaut. Zu sehen noch von 12. bis 14. Jänner.

Christoph Hartner